Ludwigs
Burg
Festival

Interview mit Geigenbaumeister Bernward Goes 

Regionales Holz und Traditionshandwerk

Zuletzt brachten Quatour  Ébène und bald darauf das Rothko String Quartett den Ordenssaal im Ludwigsburger Schloss zum Klingen. Aber auch bei »Anastasia Kobekina Vivaldi« dem »Minguet Quartett Schubert« und »Renaud Capuçon Schumann« erwarten Sie im diesjährigen Programm der Schlossfestspiele besonders bewegende Momente der Streichmusik. Wir nutzen die Gelegenheit, um einmal hinter die Kulissen des Streichinstrumentenbaus zu schauen, und haben uns mit Bernward Goes, Inhaber der Meisterwerkstatt in Stuttgart-Vaihingen, über seinen Beruf, Bau-Unterschiede von Cello und Geige und das richtige Holz unterhalten. 

Sie sind Geigenbaumeister, Herr Goes, wie war Ihr Werdegang?

Als Kind und Jugendlicher habe ich gegeigt, aber es war klar, dass ich das nicht zu meinem Beruf machen will. Ich hatte schon immer großes Interesse für das Handwerkliche. Zuerst war es nur eine Idee, die ich später ernsthaft verfolgt habe. Gemündet ist das in eine Ausbildung in Cremona, dem italienischen Geburts- und Wirkungsort von Stradivari und aller Genossen der goldenen Zeit des Geigenbaus. Nach vier Jahren Ausbildung bin ich zurück nach Deutschland gekommen, habe dann ein paar Gesellenjahre und 1999 den Meister gemacht. Seit gut 24 Jahren bin ich jetzt selbstständig.


Was braucht es Ihrer Meinung nach, um ein guter Geigenbauer zu werden?

Vor allem Übung – nicht nur manuelle, auch visuelle Übung. Man muss lernen, Details wie Kurvenverläufe und harmonische Beziehung in der Gestaltung wahrzunehmen. Das geht mit dem handwerklichen Geschick Hand in Hand. Streichinstrumentenbau ist Detailarbeit. Aber darüber darf man nie das Gesamtkonzept vergessen. Ein wunderbares Detail macht noch kein balanciertes Instrument.


Erinnern Sie sich an das erste Instrument, das Sie gebaut haben?

Natürlich, ich besitze es noch. Man sieht deutlich, dass es der Anfang war, aber ich bin trotzdem sehr stolz darauf. Ein unfassbares Ding! Monatelang brütet man darüber und am Ende hält man tatsächlich so ein Instrument in der Hand. Auch nach den vielen Jahren ist das immer noch schön für mich. Diese Instrumente sind so komplex und jedes ist ein Einzelstück. Man kennt sein Material, sein Holz und hat vor Augen, wie man es gestalten will, und trotzdem bleibt die Mischung aus Überraschung und auch Bangen bis zur Fertigstellung.


Gibt es Besonderheiten in der Herstellung eines Cellos im Vergleich zu einer Geige?

Im Handwerklichen unterscheidet sich kaum etwas. Natürlich sind die Proportionen andere, die Stimmung und die Stimmlage. Das Cello ist größer. Eine so große breite Zarge zu biegen, die eine schöne Kurve macht, ist beispielsweise schwieriger als bei einer Geige. Vor allem aber ist es mehr Arbeit. Für eine Geige brauche ich ungefähr 200 Stunden. Das Cello dürfte wahrscheinlich auf das Zwei- bis Dreifache kommen. Und man benötigt mehr Holz. Allein die Oberfläche ist mindestens vier Mal so groß. 

 

Wie stellen Sie die Instrumente her?

Im Geigenbau gibt es je nach Region verschiedene Methoden, um beispielsweise den Korpus aufzusetzen. Die Franzosen benutzen dazu die sogenannte Außenform, italienische Geigenbauer eine Innenform. In der deutschen Tradition wurden die Ränder auf den fertigen Boden gesetzt, sogenanntes Schachteln. Ich baue auf die italienische Art – mittlerweile die gängigste – den Korpus über die Innenform. Traditionell benutzt man für den Korpus Ahorn. Wobei es da bei mir eine Besonderheit gibt.


…die wäre?

Ich nutze Holz aus der Region. Klassischerweise kommt das Holz für den Streichinstrumentenbau aus Bosnien, das bedeutet karger Kalkboden und Karstgebirge. Bei uns auf der Schwäbischen Alb herrschen gleiche Wuchsbedingungen. Es war ein Versuch, ein Experiment und es hat erstaunlich gut funktioniert. Das Holz kann man zum großen Teil ganz hervorragend benutzen. 


Gibt es das perfekte Instrument?

Nein, das Instrument, das alle haben wollen, gibt es nicht. Ich erlebe es eher so, dass ein Instrument von Musiker*innen weggelegt wird, bis die Person kommt, die dann sagt: »Wow, das ist genau das, wonach ich seit zehn Jahren suche.« Das ist das Wunderbare daran. Jedes Instrument ist individuell.


Spielen Sie Ihre Instrumente auch selbst? 

Ja, tatsächlich ist das sehr wichtig. Wenn ein Instrument fertig ist, spiele ich es für ein halbes Jahr. Was physikalisch tatsächlich passiert, kann ich Ihnen nicht erklären, aber ich habe den Eindruck, dass sich das Instrument im ersten halben Jahr einschwingt. Wenn ich Kund*innen eine Auswahl hinlege, wird gekauft, was aktuell gespielt wird. Das klingt immer am besten.


Würden Sie ein Instrument aus ihrer Hand oder eine Stradivari am Klang erkennen? 

Nein, wenn mir jemand etwas bringt, das ich vor zehn Jahren verkauft habe, dann würde ich es sofort erkennen.


Was bereitet Ihnen an Ihrem Beruf die größte Freude?

Dass es so herrlich anachronistisch ist. (lacht) In diesem Handwerk kann man sich viel Zeit nehmen. Natürlich muss es sich unterm Strich lohnen, aber es geht nicht um Profit und Optimierung. Was von Hand gemacht ist, bekommt einen eigenen Ausdruck und für die Kund*innen ist genau das entscheidend, denn das Instrument soll zu ihnen passen. So etwas kann man nicht im Internet bestellen. Ich bin vor Ort, höre zu, nehme Probleme ernst. Das ist ein bisschen aus der Zeit gefallen, aber meine Kundschaft genießt das ebenso wie ich. 


Bernward Goes in seiner Geigenbaumeisterei in Stuttgart-Vaihingen 

© Daniel Keyerleber

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Geigenbau braucht den geschulten Blick für Details

© Daniel Keyerleber

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