Ludwigs
Burg
Festival

Tanz als universelle Sprache

Welttag des Tanzes

Seit fast 40 Jahren ist Jean-Georges Noverres Geburtstag am 29. April Anlass für den Welttanztag, an dem der Tanz in all seinen Formen und seiner verbindenden Kraft zelebriert wird. Jährlich neu ernannte Botschafter*innen aus der ganzen Welt stehen für seine globale und grenzüberschreitende Bedeutung. Nun müssen wir geografisch nicht weit denken, denn 2021 ist der Stuttgarter Balletttänzer Friedemann Vogel Botschafter. Tanz ist universell, Tanz ist wichtig – auch bei den Schlossfestspielen.

Am Welttanztag 2020 konnte noch kaum einer ahnen, dass der Kultur ein ganzes Jahr pandemiebedingten Ausharrens bevorstehen würde. Die besonderen Herausforderungen hat Friedemann Vogel in seiner diesjährigen Botschaft zum Internationalen Tag des Tanzes aufgegriffen und verdeutlicht die nötige innere Stärke: »Tänzerinnen und Tänzer werden oft für ihre körperlichen Fähigkeiten gefeiert, während wir in Wirklichkeit noch mehr von unserer mentalen Stärke getragen werden.« In der »Kombination von körperlicher und mentaler Beweglichkeit« seien Motivation und hartes Training der Weg, diese Krise zu bewältigen. Ganz im Sinne des Welttanztages, der die verbindende Kraft des Tanzes und die damit einhergehende Überwindung von politischen und kulturellen Grenzen hervorhebt und feiert, legt auch der Stuttgarter Kammertänzer und Erste Solist das Augenmerk auf das Kollektive und Gemeinsame. Corona ist alles andere als eine individuelle Krise; schließlich ist die Tanzgemeinschaft »kollektiv gefordert«. Es kommt vor allem auf das »gemeinsame Geschichtenerzählen mit dem Körper« an, wie Vogel im SWR2-Porträt zitiert wird, und er wäre kein Tänzer, wenn er nur Solist wäre. Auch der Direktor vom Internationalen Theater-Institut, Tobias Biancone, betont Friedemann Vogels »Respekt und Affinität« gegenüber anderen Tänzer*innen, die ihn zum »formidablen« Botschafter 2021 machten.


Das Internationale Theater-Institut (kurz: ITI) wurde 1948 unter dem Dach der UNESCO gegründet. 1982 hat das internationale Komitee des ITIs erstmalig den Welttag des Tanzes ausgerufen und erkor hierfür den 29. April – den Geburtstag von Ballettreformer Jean-Georges Noverre – als geeignetes Datum aus. Als Schwesterveranstaltung zum Welttag des Theaters (27. März) steht in diesem Falle explizit die Kunstform des Tanzes im Vordergrund. Noverre setzte sich in Theorie und Praxis für Natürlichkeit, Leidenschaft und Nähe zur Volksnähe im Tanz ein und stellte dies bewusst gegen den gängigen höfischen Tanz, dessen Divertissements, Virtuosität und Maskierungen Noverre als flach abtat. Eine perfekte Tanzkunst ergebe sich nicht aus reiner Virtuosität, sondern aus einer breit angelegten Bildung in Bereichen wie der Poesie, Malerei, Geschichte, Musik u.a. Der Freund von Voltaire veröffentlichte 1760 seine »Lettres sur la danse et sur les ballets« (Briefe über die Tanzkunst), die mittlerweile zu den bedeutendsten Schriften über das Ballett und schließlich zum tanzwissenschaftlichen Standardrepertoire zählen. Seine explizite Kritik an Masken, die die »Affekte der Seele« erstickten, lässt – weit gedacht – einen gewissen Transfer zur heutigen Zeit zu. Natürlich sind es gänzlich andere Masken, die damals im Hofballett die allegorischen Figuren zusätzlich illustrierten. Nichtsdestotrotz ersticken auch die heutigen medizinischen Masken Affekt-Äußerungen im Alltag und beeinträchtigen die zwischenmenschlichen Begegnungen. Diese soziale und emotionale Lücke kann Tanz aufgreifen und verhandeln. Denn mittlerweile dürfen Ensembles dank regelmäßiger Testungen wieder proben und zumindest mit Online-Premieren dem Publikum näherkommen.


Der Tanz hat bei den Ludwigsburger Schlossfestspielen unter der Intendanz von Jochen Sandig eine besonders wichtige Rolle eingenommen. Auch wenn die Pandemie viele Pläne unmöglich macht, nahm Edivaldo Ernestos und Marco Blaauws Performance »I can’t breathe« im Sommer 2020 eine brandaktuelle Sonderstellung ein. Im Juli 2021 kommen die sterbenden Schwäne von Gauthier Dance//Dance Company Theaterhaus Stuttgart als die »Dying Swans Experience« zu den Schlossfestspielen, als Ersatz für »The Day WTC« feiert ein Film über dessen Entstehung Premiere, »Pina Bausch Sacre« hält trotz Präsenzabsage eine ebenso eindrucksvolle Filmpremiere bereit und schließlich steht ein Besuch von Sasha Waltz & Guests an, zu dem bald mehr verraten wird. Für den Welttag des Tanzes waren bereits einige von unseren Gästen Botschafter: Germaine Acogny im Jahr 1992, Sasha Waltz 2007 und Israel Galván 2015. Gemeinsam mit dem aktuellen Botschafter und dem ITI teilen wir die »inbrünstige Hoffnung«, dass die Kulturlandschaft bald wieder grenzenlos aufblühen kann und wir den Tanz ohne Einschränkungen feiern können.


Foto: Friedemann Vogel © Roman Novitzky